
„Tür, Gurt, Start…“ – und ein Gebet
Provinzial P. Siegfried M. Kettner erzählt, was es mit den Schutzengeln auf sich hat und warum die Schutzengel-Tradition bei den Salesianern Don Boscos eine wichtige Rolle spielt.
Jedem, der das erste Mal als Beifahrer bei mir im Auto mitfährt, fällt ein „Pickerl“ auf dem Handschuhfach auf. Auf diesem Aufkleber befindet sich der Text des sog. Schutzengelgebets. Es ist die schöne Tradition unserer Ordensgemeinschaft, am Beginn jeder Fahrt dieses Gebet zu verrichten.

Die Verehrung der Schutzengel hatte schon bei unserem Ordensgründer, dem hl. Don Bosco, einen besonderen Platz. Seine erste heilige Messe hat er übrigens am Altar der Schutzengel in der Franziskuskirche in Turin gefeiert.
Sein erster Nachfolger, der selige Don Michael Rua, hat bei der Gründung der Österreichischen Salesianerprovinz vor 120 Jahren die heiligen Schutzengel als ihre Patrone festgelegt. Durch meinen Ordenseintritt bin ich mit der Verehrung der Schutzengel konfrontiert worden. Ich bin froh, dass wir nicht nur einen einzigen Patron haben, sondern deren viele! So habe ich zum Beginn meiner Amtszeit als Provinzial diese Aufkleber produzieren lassen. Noch heute händige ich sie gerne aus an Bekannte, Freunde, Führerschein-Neulinge, Moped-, Motorrad- oder Scooterfahrer und sonstige Interessierte.
Nicht esoterische Erfindung, sondern biblische Wahrheit
„Ich werde einen Engel schicken, der dir vorausgeht. Er soll dich auf dem Weg schützen und dich an den Ort bringen, den ich bestimmt habe. Achte auf ihn und hör auf seine Stimme! Widersetz dich ihm nicht! Er würde es nicht ertragen, wenn ihr euch auflehnt; denn in ihm ist mein Name gegenwärtig“ (vgl. Ex 23,20-21). Die biblische Überlieferung von der Existenz der Engel ist die Grundlage für den Glauben an Schutzengel.
Das Schutzengelgebet in den Fahrzeugen unserer Gemeinschaft lautet: „Engel Gottes, mein Beschützer, die Liebe des himmlischen Vaters hat mich dir anvertraut. Erleuchte, behüte, lenke und begleite mich. Amen.“
In diesen wenigen Worten sind wesentliche theologische Aussagen zur Engellehre zusammengefasst: Gott, der himmlische Vater, der hinter allem steht, hat auch mir einen Engel zur Seite gestellt und mich ihm anvertraut. In ihm umgeben mich die Sorge und die Liebe des Vaters.
Nicht immer sind wir Menschen froh, wenn uns ein Beschützer zur Seite gestellt wird. Allzu leicht spüren wir neben dem Schutz auch Einengung und Bevormundung. Wir sind da nicht anders als Jugendliche, die sich auch durch das Jugendschutzgesetzt nicht beschützt, sondern eher eingeengt erleben. Einen so verstandenen Schutz wollen wir lieber abschütteln. Und oft gelingt uns das auch. Aber dann merken wir, dass wir schutzlos den Einflüssen der Welt und ihren Gefahren und Bedrohungen ausgeliefert sind.
Wir dürfen uns nicht in eigensinniger Weise der Gefahr aussetzen. Der Engel lässt uns unsere Freiheit, er kann uns nur behüten, wenn wir seine Lenkung und Begleitung annehmen.
„Host an Eng’l, sei a Eng’l!“
Eine sehr schöne Wesensbeschreibung vom Schutzengel stammt ebenfalls vom hl. Johannes Bosco: „Vergesst nie, dass ihr einen Freund habt!“ Diesen Satz richtete er immer wieder an seine Jugendlichen. Wenn wir im Sinne Don Boscos vom Engel als schützenden Begleiter und Freund hören, dann denken wir an das Alte Testament, in dem der Erzengel Raphael dem jungen Tobias als schützender Begleiter und Freund in allen Gefahren seiner langen Wanderschaft zur Seite steht.
Für mich stellt diese Deutung Don Boscos eine Art Anleitung zur Gewissenserforschung dar. Bin ich, sind wir, die Erwachsenen, die Eltern, die Lehrenden und Erziehenden, die Mitarbeiterinnen und –mitarbeiter in der Pastoral, die Priester und Ordenschristen für unsere Kinder und Jugendlichen das, was Don Bosco mit dem Wort vom Engel verbindet?
Sind wir schützende Begleiter, Freunde der uns Anvertrauten? Wenn wir dies sind oder wenn wir uns wenigstens darum bemühen, dann – so denke ich – haben wir die rechte Einstellung zu Kindern und Jugendlichen. Dann werden wir für sie zu einer Art „Engel“, zu „Boten“, denn das bedeutet ja das griechische Wort „Angelos“. Wir sollen Boten der Liebe Gottes sein. Wie unsere Schutzengel es für uns sind.
P. Siegfried M. Kettner SDB

