Weltgesundheitstag:

Am Weltgesundheitstag erinnert Bruder Lothar Wagner, katholischer Ordensmann der Salesianer Don Boscos, an die jungen Menschen in Sierra Leone, die unter dem Tod der Eltern, an ihrer eigenen Ebola-Erkrankung sowie an Stigmatisierung leiden.
Viele der Kinder und Jugendlichen bedürfen ganzheitlicher Hilfen. Er bemängelt, dass es zu wenige psycho-therapeutische Hilfen gibt. Gesundheit sei nicht nur das Fehlen von Krankheit und Gebrechen, sondern schließt auch das soziale Wohlergehen ein. Daran mangele es aber derzeit stark in Sierra Leone und er fordert die UN auf, mehr entsprechende mittel- und langfristige Hilfen bereitzustellen. "Ich hoffe nicht, dass wir nach dem WHO-Versagen im medizinischen Bereich, demnächst ein Versagen im psycho-therapeutischen Bereich haben. Das hätte fatale Folgen für den Wiederaufbau", so Bruder Lothar.
Am Weltgesundheitstag interessiert uns natürlich die momentane Lage in Sierra Leone. Gibt es nach wie vor Ebola-Neuinfektionen?
Wir haben zwei bis vier Neuinfektionen pro Tag. Das ist nun deutlich weniger als noch vor wenigen Monaten. Es gibt Hoffnung auf ein baldiges Ende, wobei wir Salesianer Don Boscos in Sierra Leone immer noch einem langen Weg bis zum Ende vor uns sehen. Wir rechnen mit Rückschlägen, auch wegen der Tatsache, dass noch über 20 Prozent der Neuerkrankten auf keiner Kontaktliste stehen, sondern aus heiterem Himmel auftauchen. Das ist nach einem Jahr Ebola-Pandemie erschreckend.
Wie stellt sich denn die derzeitige Gesundheitslage in Sierra Leone dar?
Die Weltgesundheitsorganisation sagt ja, dass Gesundheit nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen ist, sondern macht deutlich, dass es auch um das vollständige Wohlergehen geht, also auch um das soziale Wohlergehen. Und da müssen wir feststellen, dass viele Kinder und Jugendliche den Tod der Eltern, die eigene Erkrankung oder die Stigmatisierung noch nicht überstanden haben. Und das darf nicht verwundern, wenn man hier vor Ort das große Leid miterlebt hat.
Was muss getan werden?
Wie im medizinischen Bereich Ärzte und Pfleger Krankheit und deren Schwere diagnostizieren, brauchen wir im sozial-therapeutischen Bereich Psychologen, Therapeuten und Sozialarbeiter, die traumatisierten Kindern und Jugendlichen ganzheitliche Hilfen anbieten. Den Wiederaufbau in Sierra Leone sollen die jungen Menschen gestalten. Und die müssen wir erst wieder aufrichten. Und da findet meiner Meinung nach wenig statt. Viele junge Menschen sind mit ihrem Trauma auf sich alleine gestellt.
Dabei sind doch nun so viele Hilfsorganisationen vor Ort?
Das stimmt. Es fehlt aber an bedarfsgerechten Hilfen. Ich finde es erschreckend, wie viele Organisationen kurzfristige materielle Hilfen anbieten, anstatt mittel- und langfristige psycho-therapeutische Angebote. Das ist aber für die vollständige Gesundheit des Kindes enorm wichtig. Was nützt es einem schwersttraumatisiertem Kind, das über Appetitlosigkeit klagt, einen Sack Reis vor die Füße zu stellen? Es bedarf mehr psychologischer Hilfen für junge Menschen. Nach dem Versagen der WHO im medizinischen Bereich sehe ich ganz klar nun ein Versagen zuständiger UN-Behörden im psycho-sozialen Bereich. Auch hier sind die Vereinten Nationen halbherzig und die Hilfen äußerst beschämend, wobei ausreichende Mitteln zur Verfügung stehen.
Was meinen Sie genau?
Viele Waisenkinder bedürfen einer Rehabilitationsmaßnahme und einer Traumaheilung. Der Fokus richtet sich aber sehr stark nur auf den medizinischen Bereich. Ist ein Kind von der Ebolaerkrankung geheilt, dann gilt es als gesund. Es wird stark generalisiert, ohne zu wissen, dass viele Kinder alles andere als gesund sind. Die werden dann in ihre Großfamilien geschickt, die mit der Situation des Kindes total überfordert sind. Manche Kinder landen auf der Straße und erleben ein erneutes Trauma. Die Salesianer Don Boscos haben in ihrem Therapiezentrum derzeit 45 schwersttraumatisierte Kinder. Wir fordern mehr Plätze landesweit. Hier ist UNICEF als die zuständige UN-Behörde gefragt. Ich hoffe nicht, dass wir nach dem WHO-Versagen im medizinischen Bereich, demnächst ein Versagen im psycho-therapeutischen Bereich haben. Mit fatalen Folgen für den Wiederaufbau.
(ANS)