Was ich hier erlebe, kann mir niemand mehr nehmen!

Über das Leben von Jan und Leopold als Volontäre bei den Salesianern in Medellín.
In der Ciudad Don Bosco wird gemeinsam gelernt und gelacht. Mittendrin sind die Volontäre im Einsatz.

Wir begleiten zwei Volontäre bei ihrer Arbeit und ihrem Alltag in Medellín, in den höher gelegenen Barrios. Vor allem aber sprechen wir mit ihnen über den Freiwilligendienst, die Herausforderungen, die schönen Momente und darüber, was sie von Kolumbien, seinen Bewohnern und ihrer Zeit dort gelernt haben.

Jan springt aus einem Taxi und verschwindet kurz in den kleinen Läden und Ständen an der Straßenecke. Gleich geht es für ihn beladen mit Snacks, Kakao, Obst und Gebäck wieder hoch. Rauf in die Barrios, und mit jedem Meter nach oben schwindet der Wohlstand, und die Armut ihrer Bewohner wird deutlicher. Oben angekommen, entlädt der 18-jährige Kölner das Taxi, und los geht es mit „Derecho a soñar“, dem „Recht, zu träumen“. Montags, dienstags und donnerstags brechen Jan und Leopold als Don Bosco Volontäre in verschiedene Viertel auf, machen Freizeitangebote und Gruppenstunden. Die Familien der teilnehmenden Kinder werden dabei von Sozialarbeitern der Ciudad Don Bosco in Medellín betreut. Das große Jugendhilfezentrum, hoch oben auf einem anderen Berghang der kolumbianischen Millionenstadt, ist gerade das Zuhause für die beiden Maturanten. Für ein Jahr haben sie Europa den Rücken gekehrt – für einen Freiwilligendienst in der Stadt, die noch vor 20 Jahren als die gefährlichste Stadt der Welt galt.

Jan schätzt besonders die Offenheit und Hilfsbereitschaft der Kolumbianer.

Leopold findet, dass er von jenen, denen er begegnet, ganz viel Optimismus gelernt hat, der sei beeindruckend hier. „Trotz vieler Probleme sagen viele, es hätte schlimmer kommen können, und reißen sich dann einfach wieder zusammen.“ Auch Jan findet, dass ihn sein neues Umfeld verändere. 

Für Kinder und Jugendliche da sein, das war Leopold wichtig, als er sich Anfang der letzten Klasse für das Volontariat bewarb. Und Jan, der in der Schule für zwei Monate einen Austausch nach Argentinien gemacht hatte, wollte nach der Matura gerne wieder zurück nach Lateinamerika. Ihr verändertes Leben fühlt sich jetzt nach acht Monaten Kolumbien völlig normal an. Kalte Dusche morgens, sehr viel Reis, der gleichbleibende Frühling, der nur in der Regenintensität variiert, und der pünktliche Sonnenuntergang um 18 Uhr.

„Wir können die Alltagssorgen der Kids hier oft ausblenden, wir sorgen ja für Ablenkung in ihrem Leben“, weiß Leopold

Immer noch besonders fühlen sich dagegen andere Momente an, „wenn man sich die krassen Sachen vergegenwärtigt, die wir hier erzählt bekommen“, so Leopold. „Wir können die Alltagssorgen der Kids hier oft ausblenden, wir sorgen ja für Ablenkung in ihrem Leben, und sie können spielen, quatschen, was auch immer. Aber letztens erst wieder zog einer sein Hemd hoch, zeigt auf eine Riesennarbe über seiner Brust und sagte, hier hätten sie ihn geschnitten.“

Sucht, Arbeitslosigkeit, Armut, zerrüttete Familien, Gewalt. In El Salado, einem Viertel der berüchtigten Communa 13, zeigt sich das Trauma Kolumbiens, wo vertriebene Landbewohner aus 50 Jahren Bürgerkrieg in zweiter Generation siedeln und vielfach traumatisiert sind. Und Jan, der komme immer noch nicht klar damit, dass er so oft gefragt werde, ob ein Kind bitte noch mehr von den Snacks haben könne. Weil es bisher nichts gehabt habe, oder es zu Hause nichts mehr geben werde. Und wenn man dann bei Familienbesuchen inmitten von Wellblech, nackten Ziegeln und Gestank wieder realisiere, wohin die Kids jedes Mal nach der Gruppenstunde gingen, während man selber wieder draußen sei – in der vergleichsweise komfortablen Ciudad Don Bosco.

Eine Zeit, die verändert
Für Leopold und Jan geht es zu Hause gleich weiter mit Veränderung. Studium oder vielleicht doch auch eine Ausbildung? Leopold bleibt bei Wirtschaftsingenieurwesen, irgendwo ab Herbst. Jetzt muss er aber erst einmal essen. Diese langen Tage, dazu abends die Sporthalle in der Ciudad Don Bosco, wo er mit den Kindern ein paar Körbe wirf und einfach dabei ist – das macht alles hungrig. 

Gefragt nach ihren schönsten Erlebnissen, müssen beide nicht lange überlegen. Die Kinder und die Menschen hier – so vieles, was man mitnehme nach Hause. Der Moment, als die Kinder im Barrio nach Monaten der anfänglich eher distanzierten Zusammenarbeit zum ersten Mal strahlend dem Taxi mit ihnen entgegengelaufen seien. Jan sagt, ihm hätten die Vorbereitungsseminare und die Gespräche mit den ehemaligen Volontärinnen und Volontären viel gegeben. Die hätten ihm geraten, möglichst wenige Erwartungen zu haben und einfach für alles offen zu sein. Ihn habe das Jahr sensibler für sein Umfeld werden lassen. Wenn man die eigene Sozialisationsblase verlässt, wird man geduldiger und demütiger. Ganz sicher aber werden die Begegnungen hier in Medellín Jans Leben verändert haben. Und er wird etwas Sinnvolles gemacht haben. So viel steht fest!

Informationen zum Freiwilligendienst: VOLONTARIAT bewegt

(Gekürzt nach Ulla Fricke, Fotos: Judith Döker/Don Bosco Mission Bonn, Erschienen im DON BOSCO magazin 4/2019)

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