Das Gebet ist die stärkste Waffe

557 Tage Geiselhaft in der Hand islamistischer Terroristen im Bürgerkriegsland Jemen und trotzdem weder Alpträume noch Depression: Davon berichtet der katholische Priester Tom Uzhunnalil, der sich derzeit anlässlich des "Außerordentlichen Monats der Weltmission" in Österreich aufhält. Pater Tom besucht auch die Salesianerpfarre Stadlau, die Don Bosco Schulen in Unterwaltersdorf und Vöcklabruck sowie das Wiener Salesianum.
Seine eindrucksvollen Schilderungen will er als Zeugnis für die Macht von Gebet und Vergebung verstanden wissen. "Ich empfinde keinen Groll für meine Entführer und habe ihnen vergeben. Das Gebet ist die stärkste Waffe, Vergebung die stärkste Medizin", erklärte der aus Indien stammende Salesianerpater im Interview mit "Kathpress".
Die Morgenstunden des 16. März 2016 brachten einen Einschnitt im Leben von P. Uzhunnalil. Der in einem Altersheim der Mutter-Teresa-Schwestern in Aden tätige Geistliche war nach der täglichen Morgenmesse mit Anbetung gerade bei einer Segnung in der Kapelle, als bewaffnete Islamisten das Gelände stürmten und 16 Mitarbeiter - davon außer den vier katholischen Ordensfrauen alle Muslime - erschossen. P. Uzhunnalil war nicht als Priester erkenntlich und wurde von den Angreifern gefragt, ob er Muslim sei. Nach seiner Antwort "Ich bin Christ" glaubte er, nun sei er an der Reihe. Er wurde jedoch gefesselt und mit verbundenen Augen in einen Kofferraum verfrachtet und zu einem Haus in der Stadt Aden gebracht.
Dies war der Beginn der eineinhalbjährigen Gefangenschaft von P. Uzhunnalil an insgesamt drei verschiedenen Orten, jeweils in verschlossenen Zimmern. "Ich hatte weiter die Augen verbunden und wurde bewacht, verstand das im Haus vernehmbare Arabisch jedoch nicht. Meine Entführer verhörten mich zwar anfangs und drehten mehrere Videos mit mir. Niemals aber schlugen oder folterten sie mich, sondern sorgten vielmehr darum, dass es mir an nichts fehle: Ich bekam Essen - sogar im Ramadan - und, als ich erkrankte, Paracetamol, obwohl dies zu Kriegszeiten schwer erhältlich war", berichtete der Priester im Interview. Einzig das von ihm als Diabetiker benötigten Insulin gab es im Jemen nicht - weshalb er in Summe um fast 30 Kilogramm abmagerte.
Gebete, die erhört wurden
Die Geiselhaft sei für ihn eine "Vertiefung des Glaubens an Gott" gewesen, gab der indische Salesianermissionar rückblickend an. Er habe ein intensives Gebetsleben gepflegt, "mit den Angelus-Gebeten, der Betrachtung des Rosenkranzes und des Kreuzwegs, dem Barmherzigkeits-Rosenkranz sowie täglich einer Messe, die ich in Ermangelung von Brot und Wein immer nur geistlich feierte". Sein Schlaf sei stets gut gewesen. "Wenn ich aufwachte, dankte ich Gott. Ich bat ihn darum, dass man mich so bald wie möglich freilassen möge, zugleich aber auch um die Gnade, den Auftrag, den er mir zu gedacht hatte, gut zu erfüllen", sagte Uzhunnalil. Sorgen oder Todesangst seien bei ihm nie aufgekommen.
Vieles habe ihm bestätigt, dass die Gebete gehört wurden, allen voran die Tatsache seines Überlebens und der guten Behandlung durch die Entführer, betonte der Salesianerpater. Allerdings habe ihn anfangs die vor seinen Augen geschehene Ermordung der Schwestern beunruhigt. "Mein größtes Gebetsanliegen war, dass sie bei Gott seien. Eines Tages drängte mich etwas, Gott um Regen zu bitten als Bestätigung dafür. Am Abend ging ein heftiges Gewitter mit Starkregen über Aden nieder." Papst Franziskus hatte die vier Ordensfrauen als Märtyrerinnen bezeichnet. Sie hätten ein "heiligmäßiges Leben" gehabt und seien gut vorbereitet gestorben - "das kann ich als Beichtvater bestätigen", erklärte Uzhunnalil.
Niemand als Feind sehen
Doch auch die Entführer, die der Priester als Mitglieder der Al-Kaida oder des IS wähnte, kamen in seinen Gebeten vor. "Schon vor dem Angriff auf unser Zentrum haben wir mit den Schwestern täglich außer für das Kriegsende auch für die Fundamentalisten gebetet, dass sie im Herzen umkehren mögen und Gott ihnen barmherzig sei. In den Schreckmomenten selbst und an allen Tagen meiner Gefangenschaft behielt ich das bei. Jesus hat gesagt: 'Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.' Wir sollen das genauso halten", erklärte der Ordensmann. Christen hätten auch den Terroristen zu vergeben. "Alle Menschen sind von vornherein gut. Manche verführt ihre schwierige Lage und Unterdrückung zu Radikalismus und extremen Reaktionen. Wir dürfen sie nicht als Feinde sehen oder mit gleichen Waffen bekämpfen, auch wenn wir ihre Auffassung nicht teilen."
Pater Toms Gefangenschaft endete am 12. September 2017 im Oman, wobei ihm die Hintergründe sowohl der Entführung als auch der Freilassung nicht bekannt sind. Als seinen nunmehrigen Auftrag sehe er, den vielen Menschen weltweit zu danken, die in den 18 Monaten für ihn gebetet hatten, betonte er. "Christen auf allen Kontinenten, aber auch Muslime und Hindus haben für mich gebetet. Dass ich hier bin und lebe, ist die Frucht des Gebetes. Gott existiert, und er erhört die Gebete und beantwortet sie immer." In Zukunft hoffe er, wieder in den Jemen zurückkehren zu können: Die Mutter-Teresa-Schwestern hätten in ihren drei verbleibenden Standorten im Land - der von Aden wurde mit dem Terrorangriff 2016 ausgelöscht - weiterhin keinen Priester.
(KAP/red)

Was war Ihre Motivation, in die Mission zu gehen?
In der zehnten Schulstufe kamen Salesianer zu uns in die Klasse und erzählten uns von ihrer Arbeit. Zwei haben sie dann gemeldet, dass sie diese Art von Arbeit interessiert. Ich war einer und so bin ich näher mit dem Orden in Kontakt getreten, stufenweise bis zum Eintritt. Dann habe ich jahrelang als Lehrer gearbeitet und schließlich meinen Provinzial gefragt, ob ich nicht eine Pause von der Schule einlegen könnte. Ich würde gerne in die Mission gehen. Das wurde dann bewilligt. In den Jemen bin ich durch die Anfrage der Mutter-Teresa-Schwestern gekommen, die um eine spirituelle Begleitung gebeten haben. Die Salesianer haben die Aufgabe angenommen und ich war einer von vier Mitbrüdern, die im Land gearbeitet haben, aufgeteilt in vier Pfarren. Wir haben hauptsächlich Christen aus anderen Ländern betreut, die im Jemen gearbeitet haben.
Wie haben die Menschen im Jemen Ihre Arbeit als katholischer Priester, als Missionar gesehen?
In dem Seniorenheim in Aden wussten die Bewohnerinnen und Bewohner, dass ich Priester bin. Ich war ja als spiritueller Begleiter der Mutter-Teresa-Schwestern präsent. Einmal habe ich auch einen Koran erhalten und die englischsprachige Übersetzung gelesen. Menschlich hatte ich mit der Bevölkerung keine Probleme im Jemen, mit Muslimen hatte ich aber wenig Kontakt.