Froh, dass Gott mich genommen hat

Was gibt es Neues, Pater Kiesling? Diese Frage ist der 82-jährige Missionar aus dem Kongo gewöhnt. Bei seinen regelmäßigen Heimaturlauben in Österreich bereist er das ganze Land, besucht Verwandte, Freunde, seine Mitbrüder und Projektpartner. Immer gut aufgelegt, immer lächelnd und immer bescheiden sympathisch. Pater Kiesling kann jeder Situation etwas abgewinnen: „Dieses Jubiläum nütze ich dazu, dankbar zu sein. Mein Leben besteht aus Schlaglöchern und schiefen Wegen. Erst zu Weihnachten bin ich zwei Tage lang mit meinem Auto im Schlamm gesteckt, bis Hilfe gekommen ist.“
So gab es mehrfach Hindernisse im Leben des Salesianerpaters. Einfach war es nicht, für den 1945 heimatvertriebenen Buben einen festen Platz im Leben zu finden: Als Halbwaise wuchs er bei seinen Tanten in Wien Stadlau auf und war kein besonders frommer Jugendlicher: „Ich habe Karten gespielt, bin tanzen gegangen und habe auch das eine oder andere Bier getrunken.“ Dennoch hatte der Stahlbauschlosser mit 19 Jahren die Eingebung, Missionar und Salesianer zu werden. Wenig Vertrauen schlug ihm da entgegen. Er sollte das schaffen, bis zur Matura durchzuhalten und danach noch studieren? Doch Johann schaffte die ersten Jahre, dann eine große Kränkung: Er wurde nicht ins Noviziat zugelassen. Damit musste der junge Mann erst umgehen lernen. Doch Salesianerpater Havranek holte ihn nach Graz als Betreuer ins Lehrlingsheim. Und hier schafft er endlich beides: Die Matura am strengen Akademischen Gymnasium und schließlich die Aufnahme in den Orden: „Ja, ich muss froh sein, dass Gott mich genommen hat“, sagt Pater Kiesling heute. Demütig sei er geworden, das sei sehr wichtig, „denn ich musste noch viel einstecken. Das ist mir ab da leichter gefallen.“
Nach dem Studium und der Priesterweihe wollte der junge Pater schon seine Koffer packen für den von ihm doch so heiß gewünschten Missionseinsatz. Doch der Orden brauchte ihn in Österreich, in Landeck und in Fulmpes – nicht ein Jahr, nicht zwei Jahre – ganze 16 Jahre wartete Pater Kiesling auf die Erlaubnis, endlich als Missionar arbeiten zu dürfen. Natürlich haben diese Wanderjahre auch viel gebracht, weiß er heute: „Ich bin reif geworden und erwachsen. So konnte ich mit vielen Situationen besser umgehen.“ Zusätzlich hat Pater Kiesling bis heute gute Kontakte zu seinen ehemaligen Schülern. Von ihnen und vielen anderen Freunden erhält er bis heute Spenden für seine Arbeit. Pater Kiesling setzt alles ein, wenn er den Menschen in seiner zweiten Heimat im Kongo hilft.
Unterricht in der Kapelle
Die Missionsstation der Salesianer ist im Süden des Landes. Kipushya ist ein großes Gebiet, wie ein mittleres Bundesland in Österreich. Die Gemeinschaft betreut hier 40 Dörfer und führt viele Schulen und Internate. Für die Salesianer lautet das Herzstück ihrer Arbeit: „Die Grundlage jeden Fortschritts ist Bildung.“ Ein Gymnasiast z. B. glaubt nicht mehr an Hexen – ein schrecklicher Aberglaube, der diesen Menschen viel Leid zufügt. Der Unterricht ist für Pater Kiesling sehr wichtig. Die Kapellen in den Dörfern sind gleichzeitig auch Schulen. Da kann es schon passieren, dass der Missionar die Tafel löscht, bevor er mit dem Gottesdienst beginnt.
Das zweite Standbein ist die medizinische Betreuung der Bevölkerung. Die Menschen leben von der Landwirtschaft und sind arm und können oft nicht das Schulgeld oder die Medikamente zahlen. Wenn ein Medikament drei EUR kostet, ist das mehr als die Tageseinnahmen für eine ganze Familie. Hier hilft Pater Kiesling und finanziert mit der Hilfe aus Österreich die Medikamente: „Viele Mensch können gerettet werden, wenn man rechtzeitig und richtig behandelt wird“, weiß der Salesianermissionar.
Zusätzlich hat Pater Kiesling unzählige Brunnen gebaut und damit die Cholera bekämpft. Außerdem hat er sich um Leprakranke gekümmert. Und sein Herzensprojekt? „Meine WohItäter bezahlen für ca. 670 Waisenkinder in unserer Mission das Schulgeld, weil ich weiß, wie lebenswichtig Schulbildung ist“. Auch hier kann der Missionar auf die treue Hilfe aus Österreich setzen.
Was will Pater Kiesling noch sagen? „Ich danke Gott für die schöne Zeit von 34 Jahren Missionstätigkeit und meine 50 Jahre als Priester. Es hat viel Gnade gegeben und eines ist fix: Ich danke jeden Tag der Gottesmutter für ihre Hilfe mit einem Rosenkranz. Überhaupt sollten wir mehr auf Maria setzen. Das sind wir Salesianer ihr schuldig, wo sie uns doch immer begleitet.“
(red)