Ebola-Ausgangssperre in Sierra Leone

Salesianerbruder Wagner: Falschdiagnosen sorgen für Ausgrenzung von Patienten anderer Krankheiten.

Die angekündigte viertägige Ausgangssperre in Sierra Leone sorgt in dem westafrikanischen Land für viel Unruhe in der Bevölkerung. Viele Patienten mit heilbaren Krankheiten wie Malaria, Cholera, Typhus, oder Tuberkulose hätten große Angst, im Zuge der Regierungsmaßnahme durch Falschdiagnosen ausgegrenzt zu werden, berichtete der deutsche Ordensmann Lothar Wagner SDB, Leiter des Kinderschutzzentrums "Don Bosco Fambul" in der Hauptstadt Freetown, am Montag in einem Hilfsappell.

Schon jetzt steige angesichts der allgemeinen Panik die Todeszahl auch bei anderen Krankheiten rapide. Denn das medizinische Personal bleibe aus Angst vor Ebola zuhause, und Menschen mieden mittlerweile Krankenhäuser generell, so der Salesianerbruder.

In der Zeit vom 18. bis zum 21. September will die Regierung zusammen mit Mitarbeitern von Nichtregierungsorganisationen Ebola-Kranke aufspüren, die von Verwandten oder Freunden versteckt werden. Außer den Befugten soll sich laut der Anordnung niemand mit Fahrzeugen oder zu Fuß fortbewegen, wobei die Maßnahme von 21.000 zusätzlichen Sicherheitskräften überwacht werden soll. Bei dieser Aktion aufgefundene potenzielle Patienten sollen in geeignete Behandlungszentren gebracht werden.

Großen Unmut in der Bevölkerung rufe die Maßnahme auch deshalb hervor, da vor allem ärmere Menschen für ihren Unterhalt dringend darauf angewiesen seien, ihr Haus verlassen zu können, so Wagner, dessen Arbeit vom österreichischen Hilfswerk "Jugend Eine Welt" unterstützt wird. Sein Zentrum "Don Bosco Fambul" nimmt Kinder und Jugendliche auf, die Eltern durch die Ebola verloren haben oder selbst nach überstandener Erkrankung nicht mehr von ihrer Familie aufgenommen werden, und es betreut sie sozialpädagogisch und psychologisch. Zudem versorgt die Einrichtung 110 Jugendliche des staatlichen Pademba-Gefängnis mit Nahrung und medizinischer Hilfe.

Die Sperre müsste nicht nur durch die Regierung besser vorbereitet werden, sondern auch die internationale Gemeinschaft und die Weltgesundheitsorganisation müssten sich mehr engagieren, so Wagner. Nötig seien etwa ausgebildete Polizisten und Soldaten für die Quarantäne-Maßnahmen, sowie Seuchenexperten, Ärzte und Pfleger.

Wichtig sei auch der Aufbau von Krankenhäusern mit entsprechenden Aufnahmekapazitäten, die Lieferung von Schutzmaterial und Medikamenten sowie die Durchführung von Umgebungsuntersuchungen.
Bisher seien die Hilfen der Vereinten Nationen halbherzig und immer um Monate zu spät gekommen, kritisierte Wagner.

Kritik auch von "Ärzte ohne Grenzen"
Mit seiner Kritik ist Wagner nicht allein: Auch "Ärzte ohne Grenzen" (MSF) steht der Ausgangssperre skeptisch gegenüber, zumal diese die Krankheit kaum eindämmen und sogar zu deren vermehrter Ausbreitung führen könnte. Weder seien Helfer mit genügend Erfahrung für die Screening-Maßnahme vorhanden, noch gebe es derzeit genug Ebola-Zentren, um die gefundenen potenziellen Patienten aufzunehmen.
Zudem würde die Sperre zu Misstrauen der Menschen untereinander und gegenüber dem Gesundheitswesen führen, und erkrankte Familienmitglieder würden nun noch eher versteckt, so die Hilfsorganisation.

Die Regierung von Sierra Leone verteidigte indes die Entscheidung und kündigte an, die Sperre bei Erfolg sogar verlängern zu wollen.

Bereits über 2.000 Tote
Sierra Leone ist seit Wochen von dem jüngsten Ebola-Ausbruch betroffen, wobei man derzeit von landesweit 1.050 Erkrankungen und 392 Todesfällen aufgrund der Epidemie ausgeht. Das Gesundheitswesen ist zusammengebrochen; Helfer befürchten langfristige Folgen für das Land, das sich nur mühsam von den Folgen eines Bürgerkriegs erholt, der zwischen 1991 bis 2002 laut unterschiedlichen Angaben bis zu 200.000 Menschenleben forderte.

In den drei Ländern Sierra Leone, Liberia und Guinea gemeinsam forderte das Ebola-Virus laut UNO-Angaben vom 5. September bereits über 2.097 Todesopfer. Zudem gibt es auch 23 Fälle mit acht Toten in Nigeria, wo die Situation jedoch eher unter Kontrolle scheint.

Die Zahl der aktuell an der Epidemie Verstorbenen übersteigt damit bereits die Gesamtzahl der Opfer aller früheren Ausbrüche von Ebola seit deren Entdeckung im Jahr 1976.

(KAP)

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