Abschied nach 80 Jahren
Man hätte die Abschiedstage von Pater Alois Saghy in Wien-Inzersdorf filmen sollen, meinte er selbst am 1. September rückblickend.
„Am Donnerstagabend war eine Hochzeit im Saal – ich drehte als letzter dann das Licht ab. Am Freitag ein Fest für ein fünf Monate altes Kind einer Afghanen-Familie, am Samstag kamen die Inder und feierten mit vielen Blumen und Figuren. Und dann heute die Abschiedsmesse mit der Pfarre. So viele Begegnungen, so viel, was man dabei geschenkt bekommt und über Kulturen hinweg lernen kann – das ist ein großes Glück für mich. Ich schaute wie immer, dass für die Gäste alles passt, ließ die Kinder im Hof Fußball spielen. Wie das jetzt weiterläuft?“
Wir feiern nicht, dass Sie gehen, sondern dass Sie so lange bei uns waren
Mit dem Abschied von P. Saghy und P. Josef Szigeti, sowie Monate zuvor von P. Adolf Scharwitzl und P. Rudolf Decker, verlässt der Salesianerorden endgültig den 23. Wiener Gemeindebezirk. Jetzt war die Kirche noch einmal gerammelt voll. „Schauen Sie sich das genau an, so etwas wird es bei uns nie wieder geben“, deutete Gemeindeassistentin Waltraud Gabriel beim Gottesdienst auf die anwesende Salesianer-Chefetage: Provinzial P. Petrus Obermüller, sein Vorgänger P. Rudolf Osanger und Ökonom P. Otto Ledermüller saßen da, weiters P. Hans Randa, Pfarrvikar Pavel Winiewski, Dechant Bernhard Pokorny und Francisco Hung von der koreanischen Gemeinde, welche die Messe mitgestaltete. Und, noch einmal, die vier letzten Salesianer von Inzersdorf. „Wir feiern nicht, dass Sie gehen, sondern dass Sie so lange bei uns waren“, sagte die Gemeindeassistentin.

Acht volle Jahrzehnte wirkten die Salesianer Don Boscos in Inzersdorf-Neustift, hob P. Obermüller hervor. Dabei war die „Maria, Hilfe der Christen“ geweihte Kirche schon zuvor, 1931, von einem Diözesanpriester – Leopold Schäfer – im Auftrag des damaligen Kardinals Piffl gegründet worden. Schäfer war Schüler aus Wien-Neuerdberg, „einer der ersten, der in Österreich unter der Leitung der Salesianer aufgewachsen ist“, wie der Provinzial betonte. Er nutzte die Notkirche unter der Woche als Kindergarten. 1939 sprangen die Salesianer ein und begannen den Aufbau der Jugendarbeit, die stets Wesensmerkmal der Pfarre blieb. Die letzten 35 Jahre führte P. Saghy die Feder.
Es gab eine große Aufnahmebereitschaft
„Ich bin angenommen worden und konnte mich in Freiheit entfalten“, sagte der Langzeit-Pfarrer dankbar. Sein Herzensanliegen war das Jugendzentrum „Come in“, für dessen Nähe zur Pfarre er sich stets einsetzte, sowie der Sozialbereich. Die Pfarrgemeinde spielte mit, als Flüchtlinge hier Bleibe fanden, zuerst aus Rumänien und Kurdistan, dann aus aller Welt. „Es gab eine große Aufnahmebereitschaft. Man sagte mir später, das Don Bosco Flüchtlingswerk hätte nirgendwo sonst starten können.“ Unterstützung dafür kam von Ordensseite her von P. Decker, der in 15 Inzersdorfer Jahren viel zum guten Zusammenleben von Muslimen und Christen beitrug, sowie acht Jahre lang von P. Szigeti. P. Scharwitzl war 21 Jahre „Seelsorger für Jung und Alt, bis zum Aufzehren der letzten Kräfte“, würdigte dies der Provinzial. Jeder der vier habe die Pfarre mitgeprägt.
„Wir haben gemeinsam viel Schönes erlebt und durchgemacht, auch so manches durchgestanden. Als Schwestern und Brüder wollten wir der Botschaft Jesu näherkommen“, dankte P. Saghy allen Anwesenden. Jeder Abschied sei Veränderung und Aufbruch, und er selbst wolle auch nach seinem Weggang nach Wien-Stadlau „offen für Neues“ bleiben. Bei seinem Testament an die Pfarre ließ sich der scheidende Pfarrer von Paulus inspirieren: „Seid ihr der Brief Christi für die Menschen!“ Von Pfarrmitgliedern hieß es indes in den Fürbitten: „Wir bitten für P. Saghy und P. Szigeti, dass sie in ihrem neuen Wirkungsbereich Inspiratoren und Hoffnungsverkünder sind, wie sie es für uns bisher waren und teils auch noch sein werden. Unsere Pfarrgemeinde soll weiter Ort der Gemeinschaft bleiben und auf Gottes Beistand vertrauen.“
Als Gemeinde bleibt Inzersdorf-Neustift erhalten, wenn auch ohne eigenen Priester, unterstützt von der Inzersdorfer Nachbargemeinde St. Nikolaus und P. Szigeti, der an Wochenenden aus Unterwaltersdorf kommen wird. Nach fünf Übergangsjahren will man weitersehen. P. Obermüller dazu: „So viele Menschen haben sich bisher engagiert, damit das Leben junger Menschen gelingt. Das Gemeindeleben, die Jugendarbeit und das Flüchtlingswerk werden weitergehen. Ich vertraue darauf, dass Gott hier wirkt – in Zukunft weniger durch Salesianer, wohl aber durch Menschen, die vom Geist Don Boscos begeistert sind.“
Der Gemeinde hinterließ der Provinzial ein Bild von Sieger Köder, das den Heiligen als puppenspielender Darsteller der Szene vom Barmherzigen Vater zeigt, sowie zugleich als Zuseher im Publikum. Sein Aufruf: „Coraggio – habt Zuversicht, dass Gott euch begleitet, mit Maria, der Hilfe der Christen!“
(text: johannes pernsteiner, fotos: pedro widler)
