Burma: Zerbrechliche Freiheit
Mehr Hinwendung zum Westen, die Abschaffung der Zensur, entspannte Gesichter auf den Straßen und viele neue Medien - das sind für Erzbischof Charles Maung Bo SDB die erfreulichen Veränderungen in Myanmar, seit sich die ehemalige Militärdiktatur vor zwei Jahren nach außen zu öffnen begann.
Erzbischof Bo lobte auch den gegenwärtigen Staatspräsidenten von Burma, Thein Sein. "Er hat die politischen Gefangenen freigelassen, öffnet das Land weiter zum Westen und ist auch frei von Korruption." Somit beschreite er weiter den schmalen Weg zur Demokratie, unterstrich Erzbischof Bo am Donnerstag bei einer Pressekonferenz anlässlich des bevorstehenden Weltmissionssonntags, bei dem für die 1.100 ärmsten Diözesen, darunter auch jene in Myanmar, gesammelt wird.
Gewalt
hat politische Hintergründe
Doch auch
unerfreuliche Ereignisse seien zuletzt zu beklagen gewesen, erzählte der
Erzbischof. An erster Stelle nannte er die ausufernde Gewalt gegen Muslime.
Irritierend sei, dass sich die politischen Entscheidungsträger zu dieser Gewalt
nicht äußern. Christen wie Muslime sind eine kleine Minderheit im Land: Der
Bevölkerungsanteil der Katholiken macht 1,3 Prozent (750.000 Menschen) aus, rund
vier Prozent beträgt jener der Muslime. Zwischen Christen und Buddhisten gebe es
aber keine Spannungen, berichtete der Erzbischof. Die Kirche gibt es schon seit
500 Jahren in Myanmar. Viele Muslime seien hingegen Zuwanderer.
Grundstückspreise wie
in New York, London und Hongkong
Eine weitere
Herausforderung seien die ansteigenden Grundstückspreise, die der Zustrom an
Investoren ausgelöst habe. "Die Preise sind mittlerweile so hoch, wie in New
York, London und Hongkong", erzählte Erzbischof Bo. Auch einige
Nichtregierungsorganisationen, die mittlerweile in Myanmar aktiv werden, würden
gerade die Ärmsten der Armen nicht erreichen. Doch gerade die müssten besonders
unterstützt werden. "Die Hilfe der religiösen Gemeinschaften - der Muslime, der
Buddhisten und Christen - erreicht am ehesten die Betroffenen", berichtete Bo.
Kirche:
Krankenstationen, Internate und Waisenhäuser
Krankenpflege und
Bildung sind zwei Schwerpunkte der Arbeit der Kirche in Myanmar. Der RNDM-Orden
kümmert sich etwa in Thayet um Waisenkinder und Leprakranke. Im Kawthaung in
Süd-Myanmar ergänzen die RNDM-Schwestern den staatlichen Schulunterricht, etwa
durch eine Nachmittagsbetreuung. Auch mit einer Versorgung der Kinder hilft der
Orden den Familien, denn die meisten sind sehr arm und haben nicht genügend
Geld für alle Familienmitglieder. Ein besonderer Schwerpunkt gelte der Förderung
von Frauen, erzählte Schwester Margaret Maung. Über Computerklassen und andere
Ausbildungskurse fördere man speziell die Job-Aussichten von jungen Frauen.
Manche kommen mit Hilfe von Menschenhändlern in andere Länder. "Dort werden sie als Sexarbeiter ausgebeutet", berichtete Schwester Margaret Maung. Und auch
um Aids- und HIV-Kranke kümmern sich die RNDM-Schwestern.
Muslime
wie Buddhisten nehmen kirchliche Hilfe in Anspruch
Schwester
Margaret wie Erzbischof Bo unterstrichen beide, dass die soziale Hilfe der
Kirche in Myanmar Angehörigen aller Religionen zugute kommt. Die meisten von den
Schwestern betreuten Menschen gehören je nach Region entweder dem Buddhismus
oder dem Islam an. Auch in einigen der insgesamt 600 katholischen Internate leben großteils Kinder anderer Religionen. Gerade im ländlichen Raum übernehmen
die Internate eine wichtige Funktion. Da es in vielen Dörfern keine Schulen
gibt, leben viele Schulkinder fernab ihres Heimatdorfes in einem kirchlichen
Internat, das gleich neben der Schule liegt.
Eigene Schulen und Krankenhäuser darf die Kirche seit dem Militärputsch von 1962 nicht mehr führen. Damals wurden alle kirchlichen Schulen und Spitäler vom Staat enteignet. Dennoch kümmert sich die Kirche über ihre Arbeit in Pfarren, Internaten, Waisenhäusern und Jugendlagern um die Bildung der nächsten Generation und ergänzt so den staatlichen Schulunterricht, der sich seit der Militärdiktatur verschlechtert hat: "Körperstrafen und verbale Attacken, mit denen die Lehrer die Schüler traumatisieren, stehen auf der Tagesordnung", erzählte Valerio Rireh, der am kirchlichen Pyinya Sanye Institute of Education (PSIE) angehende Lehrer mit modernen pädagogischen Lehrmethoden vertraut macht. "Selbständiges Denken und Kreativität sind nicht erwünscht. Das Regime wollte nicht, dass wir beginnen Dinge zu hinterfragen. In einem Klassenzimmer sind zwischen 80 und 100 Schüler." Mit Hilfe von Professoren aus den USA gründete die Kirche vor einigen Jahren das PSIE-Institut, um das Unterrichtsniveau zu heben.
Minderheitenkirche,
Kirche der Minderheiten
Die Kirche
in Myanmar ist klein, aber vital. Gerade einmal 750.000 Katholiken leben dort,
doch das Priesterseminar in Yangon besuchten im vergangenen Studienjahr 155
Seminaristen. Myanmar ist ein Vielvölkerstaat
mit 135 Ethnien. Die Christen sind
vor allem unter den Minderheiten, den Karen (6,2 Prozent) und den Kachin (1,4
Prozent) verbreitet.
Weltmissions-Sonntag
- Tag "weltweiter Verantwortung"
Am 20.
Oktober findet die größte Solidaritätsaktion der Welt statt, der
Weltmissions-Sonntag der katholischen Kirche. An diesem Tag wird weltweit in
allen Pfarrkirchen für die Bedürftigen gebetet und gesammelt. Mehr als eine
Milliarde Katholiken unterstützen gemeinsam die Allerärmsten durch den Aufbau
der Kirche. Die "Missio-Sammlung" am Weltmissions-Sonntag sichert die materielle
Grundversorgung und die Existenz der 1.100 ärmsten Diözesen.