Erdrückende Beweislast
Bonn/Freetown. Im Rahmen eines Hintergrundgesprächs mit Journalisten begrüßte der Direktor der NGO Don Bosco Fambul in Freetown/Sierra Leone (Westafrika), Bruder Lothar Wagner SDB, die Verhaftung sowie Entlassung des Stellvertretenden Bildungsministers, Mamoud Tarawalli, aus dem Regierungskabinett. "Der Präsident der Republik habe richtig und angemessen gehandelt", so der Pädagoge und Theologe, nachdem Kritik von verschiedenen Journalisten sowie Unterstützer aus der Heimatregion des ehemaligen Regierungsmitglieds am Präsidenten laut wurde.
Dem Bildungspolitiker wird vorgeworfen Anfang September eine Studentin vergewaltigt zu haben. Seitdem wird das Opfer auf Bitten der Regierung durch Don Bosco Fambul in einem Mädchenhaus betreut. "Die Beweislast sei erdrückend", so eine von sechs Rechtsanwältinnen, die das Opfer vor Gericht vertreten. Nachdem einige Medienhäuser Name und Bilder sowie den derzeitigen Aufenthaltsort des Opfers in ihren Zeitungen veröffentlicht hatten, wurde die "Unabhängige Medienkommission" der Regierung eingeschaltet. Ihnen drohen wegen Missachtung rechtlicher Medienbestimmungen hohe Geldstrafen.
Noch Anfang des Jahres machte Don Bosco Fambul nicht nur auf die zunehmende Brutalität der Gewalttäter gegenüber Mädchen, sondern auch auf die steigende Zahl von Vergewaltigungen an Mädchen und jungen Frauen unter 14 Jahren aufmerksam. Dabei übte Bruder Lothar scharfe Kritik an den Ermittlungsbehörden. Er sprach in diesem Zusammenhang von einer "Kultur der Straflosigkeit". Seitdem habe es eine intensive Zusammenarbeit zwischen den Ermittlungsbehörden sowie der Staatsanwaltschaft gegeben. In insgesamt 17 Vergewaltigungsfällen wurden die Ermittlungsakten neu bewertet, nachdem nachweislich die Ermittlungen durch Polizisten manipuliert oder willentlich verzögert wurden. Täter seien aus der Untersuchungshaft entlassen worden und nie wieder aufgetaucht, obwohl schwer belastendes Beweismaterial gegen sie vorgelegen hätte.
Ausdrücklich dankte der Ordensmann der Salesianer Don Boscos der Regierung für ihr nun gezeigtes entschiedenes Handeln gegen Vergewaltigungen; der Polizei sowie dem Sondergerichtshof dankte er für den erhöhten Personenschutz rund um das Mädchenhaus. Bewaffnete Polizisten sowie eine private Sicherheitsfirma sorgen für den Schutz der Mädchen und jungen Frauen in der Kriseninterventionsstelle, wo sich derzeit 16 Mädchen mit Gewalterfahrung befinden.
Seit der Eröffnung des Mädchenhauses im März 2011 wurden 756 Kriseninterventionen mit Nachbetreuung für Mädchen und junge Frauen mit Gewalterfahrung durchgeführt. Das Haus ist rund um die Uhr geöffnet und durch professionelle Sozialarbeiterinnen sowie medizinischem Pflegepersonal besetzt. Finanziert werden die landesweit einzigartigen psycho-sozialen Maßnahmen vom österreichischen Hilfswerk Jugend Eine Welt – Don Bosco Aktion Österreich und den Bonner Hilfsorganisationen Don Bosco Mission und Don Bosco Mondo.
Don Bosco Fambul beschäftigt derzeit 121 Mitarbeiter, meist Sozialarbeiter. Neben der mobilen Straßensozialarbeit unterhält die Einrichtung eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme für ehemalige Straßenkinder, eine Familienberatung, zwei Jugendzentren, ein Mädchen bzw. Frauenhaus, eine Betreute Wohnform, ein Job Center sowie die landesweite Kinder- und Jugendtelefonberatung.